Aus Radiowellenbeobachtungen im KBR-Band der GRACE- und GRACE-FO-Missionen wurden wertvolle in-situ Daten der Plasmadichte abgeleitet, die die Ionosphäre entlang ihrer Satellitenbahnen hervorragend beschreiben. Im Besonderen sind die GRACE-Missionen für die Verbesserung der räumlichen und zeitlichen Abdeckung globaler Datensätze zur Plasmadichte von entscheidender Bedeutung, die unter anderem regulär durch die CHAMP und die Swarm Missionen bereitgestellt werden. Ein wichtiges Beispiel stellt hier der letzte geomagnetische Super-Sturm im Mai 2024 dar. Für dieses Ereignis hat GRACE-FO wesentlich dazu beigetragen, Veränderungen unseres erdnahen Weltraums aufgrund des erhöhten Eintrags von Sonnenenergie zu beobachten und zu erklären.
Prof. Dr. Claudia Stolle, Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock, Deutschland
GRACE and GRACE-FO als Weltraumwettermissionen der Ionosphäre
Die GRACE-Missionen sind international einzigartig und vermessen das veränderliche Schwerefeld der ErdeDas Schwerefeld der Erde setzt sich aus der Erdanziehung (Gravitation) und der durch die Erdrotation verursachten, breitenabhängigen Zentrifugalbeschleunigung zusammen. Die Materie in und auf der Erde ist nicht gleichmäßig verteilt. Wasser, locker..., um dort neue Erkenntnisse zu schaffen. Zudem haben die Missionen einen hohen Wert für die Weltraumwetterbeobachtung der Ionosphäre und erweitern somit die wissenschaftlichen Ziele im multidisziplinären Sinne.
Die Satelliten der GRACE und GRACE-FO Missionen vermessen kontinuierlich ihren Abstand mittels Radiowellen im K-Band. Diese Funkwelle befindet sich in einem Frequenzband, das durch Schwankungen in der Plasmadichte in der Ionosphäre, die sie durchlaufen, beeinflusst wird. Daher kann der integrierte Gesamtelektronengehalt zwischen den beiden Satelliten abgeleitet werden, der, geteilt durch die Entfernung der Satelliten, die mittlere Elektronendichte ergibt (Xiong et al., 2010; Schreiter et al., 2023). Die beiden GRACE Satellitenmissionen zusammen ermöglichen einen langen Datensatz über zwei Sonnenzyklen hinweg (seit 2002) mit einer zeitlichen und räumlichen Auflösung von 0,1 Hz bzw. etwa 200 km. Der besondere Beitrag der GRACE Satellitenmissionen ist die wertvolle Komplementarität mit anderen laufenden Missionen wie CHAMP und Swarm, indem sie die globale Abdeckung durch Ionosphärendaten in Bezug auf geographische Länge und Höhe maßgeblich erweitern (siehe Abbildung 1).
Die ionosphärischen Daten der GRACE-Missionen haben maßgeblich zur Charakterisierung der Höhenverteilung von ionosphärischen Plasma „bubbles“ in niedrigen Breiten beigetragen (Xiong et al., 2010), die den GNSS-Betrieb bekanntermaßen erheblich beeinträchtigen (z. B. Crane, 2016; Xiong et al., 2018). Auch stellen sie wichtige Datensätze zur Verbesserung empirischer Modelle dar, insbesondere zur Beschreibung der ansonsten nur selten erfassten oberen Ionosphäre (z. B. Bilitza und Xiong, 2021; Smirnov et al., 2023). Im Besonderen halfen die Beobachtungen jedoch, die ionosphärische Variabilität aufgrund des letzten geomagnetischen Super-Sturm im Mai 2024 zu beschreiben (Das et al., 2025).
Der geomagnetische Super-Sturm im Mai 2024
Am 10. Mai 2024 erfasste die Erde ein geomagnetischer Super-Sturm, bei dem der geomagnetische Hp30-Index (Matzka et al., 2024) Werte von bis zu 11+ erreichte. Für dieses Ereignis war GRACE-FO für die Charakterisierung des Weltraumwetters in der Ionosphäre besonders wichtig. Das et al. (2025) zeigten, dass sich die sogenannten äquatoriale Ionisationsanomalie kurz vor Sonnenuntergang um ca. 17 Uhr Lokalzeit (engl. local time, kurz LT) im Vergleich zu geomagnetisch ruhigen Zeiten um 240 % verstärkte (siehe Abbildung 2).
Kurz vor Sonnenaufgang, gegen 5 Uhr Lokalzeit, registrierte GRACE-FO außergewöhnliche Plasma „bubbles“, die magnetische Breiten von 30° und mehr erreichten. Dies entspricht Höhen von 3000 km über dem magnetischen Äquator. Diese Beobachtung steht regulären, nicht sturmbedingten „bubbles“ gegenüber, die sonst ausschließlich vor Mitternacht vorkommen und Höhen von nur etwa 1000 km erreichen.
Die gemeinsame Analyse mit Plasmadichtebeobachtungen der Satelliten Swarm A und Swarm B (um 07/19 LT bzw. 11/23 LT) zeigte, dass diese extremen Ereignisse auf starke Schwankungen des ionosphärischen elektrischen Feldes in Äquatornähe zurückzuführen sind, die eine starke Plasmakonvektion auslösten.
Bezugnehmend auf die „Konstellation“, die die CHAMP und GRACE Satelliten während des Halloween-Super-Sturms im Oktober 2003 (Hp30 = 12) bilden, zeigen Das et al. (2025) außerdem, dass die Stärke der äquatorialen Ionisationsanomalie beim Halloween-Super-Sturm zwar größer war als im Mai 2024, jedoch die relative Veränderung der Anomalie sowohl beim Halloween- als auch beim Mai-2024-Super-Sturm in vergleichbarem Ausmaß erfolgte. Der Halloween- und der Mai-2024-Super-Sturm waren die bislang stärksten geomagnetischen Stürme, seitdem es regelmäßige Satellitenbeobachtungen der Ionosphäre gibt.
Datenverfügbarkeit
Die Plasmadichte-Daten der Swarm- und GRACE-FO-Missionen werden von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) unter https://earth.esa.int/eogateway/missions/swarm/data bereitgestellt. Die Hp30-Indizes sind über das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung unter https://kp.gfz.de/hp30-hp60 verfügbar.
Literaturhinweise
- Bilitza, D., Xiong, C. (2021). A solar activity correction term for the IRI topside electron density model. Adv. Space Res. 68 (5), 2124–2137. https://doi.org/10.1016/j.asr.2020.11.012.
- Crane, L. (2016). What causes GPS signal loss on satellites like Swarm?, Eos, 97, https://doi.org/10.1029/2016EO059257.
- Das, S. K., Stolle, C., Yamazaki, Y., Rodríguez-Zuluaga, J., Wan, X., Kervalishvili, G., et al. (2025). On the F-region ionospheric plasma density distribution and irregularities response during the May-2024 geomagnetic storm observed by LEO satellites. Geophysical Research Letters, 52, e2025GL115780. https://doi.org/10.1029/2025GL115780
- Matzka, J., Bronkalla, O., da Silva, M. V., Kervalishvili, G., Rauberg, J., Korte, M., Yamazaki, Y., (2024). Geomagnetic Hpo index(V3.0). GFZ Data Services. https://doi.org/10.5880/Hpo.0003
- Schreiter, L., Stolle, C., Rauberg, J., Kervalishvili, G., van den Ijssel, J., Arnold, D., et al. (2023). Topside ionosphere sounding from the CHAMP, GRACE, and GRACE-FO missions. Radio Science, 58, e2022RS007552. https://doi.org/10.1029/2022RS007552
- Smirnov, A., Shprits, Y., Prol, F. et al. (2023). A novel neural network model of Earth’s topside ionosphere. Sci Rep 13, 1303. https://doi.org/10.1038/s41598-023-28034-z
- Xiong, C., Park, J., Lühr, H., Stolle, C., Ma, S. (2010). Comparing plasma bubble occurrence rates at CHAMP and GRACE altitudes during high and low solar activity. - Annales Geophysicae, 28, 1647-1658. doi.org/10.5194/angeo-28-1647-2010
- Xiong, C., Stolle, C., Park, J. (2018). Climatology of GPS signal loss observed by Swarm satellites. - Annales Geophysicae, 36, 679-693. doi.org/10.5194/angeo-36-679-2018