21.09.2023

Der Sonder-Forschungsbereich TerraQ

Die gravimetrische Erdbeobachtung ist ein entscheidender Ansatz, um die Ursachen des Klimawandels zu ergründen und genaue Vorhersagen über seine Folgen für Natur und Gesellschaft zu liefern. Die räumlichen und zeitlichen Schwankungen des Gravitationsfeldes geben einzigartige Informationen über die relevanten Veränderungsprozesse im Erdsystem - von der Atmosphäre bis unter die Erdoberfläche. Die derzeitigen Schwerefelddaten sind in ihrer zeitlichen und räumlichen Auflösung jedoch stark begrenzt. Innovative Quantentechnologien haben das Potential, in Zukunft Daten mit wesentlich höherer Genauigkeit und Langzeitstabilität zu liefern. Dafür gibt es den SonderForschungsbereich (SFB) 1464 „Relativistische und quanten-basierte Geodäsie“.

Text: Dr. Matthias Weigelt, Leibniz Universität Hannover

 

TerraQ ist ein Verbundprojekt und wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Projektpartner sind die Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum, die HafenCity Universität Hamburg und die Technische Universität Graz.

Im Zentrum des SFB TerraQ steht die einzigartige interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen aus der Geodäsie und Quantenphysik. Durch die Kombination von Fachwissen aus dem Ingenieurwesen und der Grundlagenforschung wollen wir die räumliche und zeitliche Genauigkeit geodätischer Beobachtungen von Massenvariationen auf ein neues Niveau heben. Unser Ziel ist es, quantenbasierte Messkonzepte für die Überwachung von Massenänderungen aus dem Weltraum und am Boden sowie die entsprechende Datenanalyse und Modellierung voranzutreiben, um anspruchsvolle Verfahren bereitzustellen, die unser Wissen über die damit verbundenen Veränderungsprozesse im System Erde erheblich erweitern.

Im Bereich der SatellitengravimetrieVerfahren zur Vermessung des Erdschwerefeldes mittels Satelliten. In den vergangenen 20 Jahren wurden verschiedene moderne Varianten realisiert: (1) Laufzeitmessungen zwischen hochfliegenden GPS-Satelliten und einem tieffliegenden Satelliten (high-lo... kann der sich ändernde Abstand zweier Satelliten in der Erdumlaufbahn präzise gemessen und daraus die GravitationGravitation bezeichnet man auch als Schwerkraft oder Massenanziehungskraft. Gravitation ist die Kraft, die zwei oder mehrere Körper aufgrund ihrer Masse aufeinander ausüben. Die bekannteste Gravitationskraft ist die Erdanziehungskraft. Sie bewirkt,...skraft der Erde abgeleitet werden. TerraQ-Forschende waren und sind bereits an vorherigen, erfolgreichen Satellitenmissionen wie GRACE-FO beteiligt. Im SFB werden nun laser-gestützte Systeme entwickelt, die bei den Abstandsmessungen den nächsten Schritt hinsichtlich raumzeitlicher Auflösung und Genauigkeit, d.h. die Realisierung des Nanometer-Levels, ermöglichen.

Auf der Basis der Materiewellen-Interferometrie mit kalten Atomen werden terrestrische Quantensensoren für schnelle und hochgenaue Schweremessungen entwickelt, um ein Genauigkeitsniveau von wenigen nm/s² zu erreichen. Diese Entwicklungen umfassen sowohl kompakte, mobile Geräte für Feldkampagnen als auch große stationäre Geräte mit extremer Präzision. Während erstere neue Strategien für lokale und regionale Schweremessungen ermöglichen, werden letztere in Zukunft einen neuen Schwerestandard liefern.

TerraQ ist federführend bei der Entwicklung und Etablierung des chronometrischen Nivellements für die Realisierung physikalischer Höhensysteme und für Schwerefelduntersuchungen. Entscheidend hierbei ist die Bestimmung der Frequenzunterschiede aufgrund der gravitativen Rotverschiebung zwischen weit voneinander entfernten Uhren, um damit Schwerepotentialunterschiede in geodätischen Netzen zu erfassen. Dazu werden optische Atomuhren über Glasfaserkabel miteinander verbunden. Diese Uhren und Konzepte werden zuerst mit einer Genauigkeit im Zentimeter-Bereich entwickelt, später soll die für geodätische Anwendungen notwendige Genauigkeit auf Millimeter-Ebene erreicht werden.

Technologieentwicklung im Bereich der Satellitengravimetrie

Neuartige und hochpräzise Sensorsysteme bauen auf dem Erbe von GRACE-FO auf. Wir untersuchen neue Konzepte für optischen Beschleunigungsmesser und weiten diese zu Gradiometern aus. Dazu werden Missionskonzepte für diese neuen Nutzlasten untersucht. Im Mittelpunkt stehen dabei Multisensorsysteme unter Berücksichtigung der Messgeometrie und  
-konfigurationen, der Messplattformen, ihrer Umgebung, Verunreinigungen und geophysikalische Signale, die den Messprozess beeinflussen.Multi-Purpose Space Mission-Simulatoren liefern die erforderlichen Simulationen von Raumfahrzeugen bzw. optischen Systemen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Verbesserung der Methoden zur Strahlcharakterisierung. Unvermeidbare Strahlunvollkommenheiten und Unterschiede in der detaillierten Signaldefinition beeinflussen die interferometrische Leistung und damit die Genauigkeit der Schwerefeldbestimmung. 

Das Potenzial der Hilfsmodulationen auf der Laserverbindung, die von der LISA-Mission (Laser Interferometer Space Antenna) abgeleitet wurden, soll ebenfalls genutzt werden. Außerdem werden die notwendigen optischen Ausleseverfahren für Testmassen zur Verbesserung künftiger Beschleunigungsmesser experimentell entwickelt. Neue und kompakte Sensoren nutzen neu entdeckte Modulationsverfahren wie die tiefe Phasenmodulation oder die tiefe Frequenzmodulation. Eine Schlüsselkomponente ist dabei die Torsionswaage, eine besonders rauscharme Testplattform.  Während am Boden völlig frei schwebende Testmassen auf langen Zeitskalen nicht realisierbar sind, können in einer Torsionswaage aussagekräftige Tests in ein oder zwei Freiheitsgraden durchgeführt werden, die es der Forschung ermöglichen, die Apparatur zu stabilisieren und die relevanten Signale auszulesen.

Beiträge zur Schwerefeldbestimmung

Die kombinierte Anwendung von Uhren, Atom- und Laserinterferometrie, bodenbasiert oder aus dem Weltall, ist unumgänglich, um Daten auf allen Längen- und Zeitskalen zu liefern. Die Forschungsbereiche sind daher eng miteinander verwoben und führen so zu einem neuen Genauigkeitsniveau der Beobachtung und Kenntnis des GravitationGravitation bezeichnet man auch als Schwerkraft oder Massenanziehungskraft. Gravitation ist die Kraft, die zwei oder mehrere Körper aufgrund ihrer Masse aufeinander ausüben. Die bekannteste Gravitationskraft ist die Erdanziehungskraft. Sie bewirkt,...sfeldes. Wir modellieren Schwerefeldgrößen dabei sowohl klassisch geodätisch als auch relativistisch und simulieren relevante Anwendungsszenarien, um die Leistungsfähigkeit der neu entwickelten Messkonzepte gegenüber bestehenden Ansätzen zu zeigen. 

Beobachtungen der zeitlichen Variationen des Erdschwerefeldes mittels SatellitengravimetrieVerfahren zur Vermessung des Erdschwerefeldes mittels Satelliten. In den vergangenen 20 Jahren wurden verschiedene moderne Varianten realisiert: (1) Laufzeitmessungen zwischen hochfliegenden GPS-Satelliten und einem tieffliegenden Satelliten (high-lo..., terrestrischer Gravimetrie und durch mit Globalen Navigations-Satelliten-Systemen (GNSS) gemessenen Auflasteffekten erlauben einen Einblick in die regionalen Variationen und Veränderungen von Wasserspeichern auf jeweils unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen. Die gleichmäßige Einbeziehung der verschiedenen geodätischen Sensoren ist aufgrund der unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Sensitivität der Messsysteme eine der größten Herausforderungen der Geodäsie. Neben der Nutzung von Beobachtungen des Satellitensystems GRACE bzw. GRACE-FO und GNSS-Deformationszeitreihen nutzen wir ebenfalls terrestrische Absolut- und Relativgravimeter verschiedener Typen. Besonders bemerkenswert ist der geplante Einsatz von Absolut-Quantengravimetern. Damit wird der Grundstein für die nächste Generation gravimetrischer Messnetze gelegt.

Durch die Integration von Fachwissen aus Geodäsie und Physik dient TerraQ als einzigartige Plattform für die Entwicklung grundlegend neuer Sensoren und Messverfahren auf der Grundlage der Quantenmetrologie, wobei die technologische Entwicklung und die Anforderungen von Weltraummissionen mit der geodätischen und geophysikalischen Modellierung auf synergetische Weise verbunden werden.

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