Gezeiten und Winde beeinflussen die Höhe des Meeresspiegels. Auf Helgoland beobachtet das GFZ mit dem Supraleitgravimeter diese kurzzeitigen Änderungen des Meeresspiegels in der Nordsee sowie die Hebung und Senkung der Erdkruste als Folge der Verschiebung von großen Wassermassen.
Text: Dr.-Ing. Christian Voigt, GFZ

Foto: Christian Voigt, GFZ
Auf Helgoland untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Biologischen Anstalt die Ökologie von Küsten- und Schelfmeersystemen. Die Nordseeinsel mitten in der Deutschen Bucht ist aber nicht nur für meeresbiologische Analysen bestens geeignet, sondern auch für die (geodätische) Beobachtung der Meeresspiegeländerungen. Seit dem Jahr 2020 wird die Station auch vom GFZ als Standort für ein supraleitendes Gravimeter genutzt (Voigt 2020). An diesem Standort sind die Massenvariationen in der Nordsee und deren Einfluss auf die feste Erdkruste besonders ausgeprägt und somit sehr gut zu beobachten. Das Gravimeter reagiert auf die Wassermassenvariationen auf zweierlei Weise: Zum einen führt eine Wasserzunahme in der Deutschen Bucht, z.B. durch HochwasserHochwasser sind immer wieder auftretende natürliche Ereignisse, die durch ein komplexes Zusammenspiel meteorologischer und hydrologischer Prozesse entstehen. Hochwasser wird der Zustand bei Gewässern genannt, bei dem sich der Wasserstand oder der A... oder Sturmflut, zu einer Schwerezunahme im Gravimeter entsprechend des Newtonschen GravitationGravitation bezeichnet man auch als Schwerkraft oder Massenanziehungskraft. Gravitation ist die Kraft, die zwei oder mehrere Körper aufgrund ihrer Masse aufeinander ausüben. Die bekannteste Gravitationskraft ist die Erdanziehungskraft. Sie bewirkt,...sgesetzes. Diese direkte Anziehung der Wassermassen hat einen stark dominierenden lokalen Charakter und wird für unsere Zielsetzung aus den Beobachtungen des Gravimeters mit Hilfe von lokalen Pegeldaten reduziert. Zum anderen führt eine Wasserzunahme in der Deutschen Bucht zu einer elastischen Senkung der Erdkruste, auf der das Gravimeter steht. Dieser so genannte ozeanische Auflasteffekt führt zu einer weiteren Schwerezunahme, da das Gravimeter nun näher am Massenzentrum der Erde steht. Diese sehr großräumigen Auflasteffekte mit mehreren 100 km Ausprägung sind für uns besonders interessant, da sie eine Schnittstelle bieten zwischen den geodätischen Beobachtungstechniken Supraleitgravimetrie, SatellitengravimetrieVerfahren zur Vermessung des Erdschwerefeldes mittels Satelliten. In den vergangenen 20 Jahren wurden verschiedene moderne Varianten realisiert: (1) Laufzeitmessungen zwischen hochfliegenden GPS-Satelliten und einem tieffliegenden Satelliten (high-lo... (GRACE-FO) und GNSS (Global Navigation Satellite Systems).
Größenordnung der Beobachtungen
Als Meeresgezeiten werden die periodischen Wassermassenvariationen mit ausgeprägten täglichen und halbtäglichen Perioden bezeichnet. Auf Helgoland beträgt der Unterschied zwischen dem mittleren HochwasserHochwasser sind immer wieder auftretende natürliche Ereignisse, die durch ein komplexes Zusammenspiel meteorologischer und hydrologischer Prozesse entstehen. Hochwasser wird der Zustand bei Gewässern genannt, bei dem sich der Wasserstand oder der A... und Niedrigwasser gut 2 m. Das führt zu vertikalen Deformationen der Erdkruste von insgesamt etwa 20 mm (Hebung-Senkung) und zu Schwerevariationen von 40 nm/s². Überlagert werden die Meeresgezeiten stets von nicht-gezeitenbedingten Variationen insbesondere hervorgerufen durch starke Winde oder Stürme. Die seit der Inbetriebnahme des Gravimeters auf Helgoland größten gemessenen Sturmflutsignale traten durch die Passage des Sturmtiefs NADIA am 30.01.2022 bei Windstärke 9 aus westlicher Richtung auf. Bei einem Wasserstand von 2,0 m über dem mittleren HochwasserHochwasser sind immer wieder auftretende natürliche Ereignisse, die durch ein komplexes Zusammenspiel meteorologischer und hydrologischer Prozesse entstehen. Hochwasser wird der Zustand bei Gewässern genannt, bei dem sich der Wasserstand oder der A... auf Helgoland ergaben sich beobachtete Schwerezunahmen von knapp 90 nm/s². Aus Beobachtungen der GNSS-Stationen auf Helgoland lassen sich Senkungen der Erdkruste um bis zu 35 mm ableiten. Auch in Potsdam betragen diese Signale noch etwa 15 nm/s² bzw. 5 mm und sind damit in allen präzisen geodätischen Beobachtungen sichtbar.
Übergang von der punktuellen zur flächenhaften Beobachtung
Eine grundsätzliche Herausforderung bei der Validation und Kombination von Satellitendaten mit Beobachtungen an der Erdoberfläche ist stets deren unterschiedliche Sensitivität. Während GRACE-FO Schwerevariationen global mit einer Auflösung von etwa 300 km x 300 km monatlich liefert, beobachten Supraleitgravimeter sekündlich und in voller Auflösung die Schwerevariationen – allerdings nur im Messpunkt und dessen Umgebung. Nun existieren verschiedene Ansätze, um die Beobachtungslücke zwischen den verschiedenen Beobachtungstechniken zu schließen. Beispielsweise wurde auf der Zugspitze der Gipfelstandort gewählt, um aus der „Vogelperspektive“ das gesamte Gebirgseinzugsgebiet zu erfassen (Voigt 2023). Auf Helgoland wird ausgenutzt, dass das größte unbekannte Signal die großräumigen Auflasteffekten aufgrund der Wassermassenvariationen in der Deutschen Bucht sind. Üblicherweise werden diese Signale mit Hilfe von Modellen im Rahmen der Prozessierung von GRACE-FO reduziert. Diese Modelle sind jedoch nicht perfekt, sondern haben einen wesentlichen Anteil am Unsicherheitsbudget von GRACE-FO. Unsere Messungen auf Helgoland zeigen uns die Abweichungen zwischen diesen Modellen und dem real beobachteten Signal sowie auch die Verbesserungen durch ein wesentlich höher aufgelöstes Zirkulationsmodell vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Zudem lassen sich die Erkenntnisse auf Helgoland verwenden für eine verbesserte Reduktion von gravimetrischen und GNSS Beobachtungen auf kontinentalen Stationen.
Weiterführende Informationen
- Informationen zum Supraleitgravimeter auf der GFZ-Webseite
- Voigt, C. (2020): Ebbe und Flut auf den Kontinenten. - Physik in unserer Zeit, 51, 6, 305-305.
https://doi.org/10.1002/piuz.202070609 - Voigt, C. (2023) Forschung in luftiger Höhe: Der Wasserhaushalt in den Alpen. Beilage der Geographischen Rundschau 3-2023 in Kooperation mit dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ